Der ICE 4 zu Gast in Cottbus
Zuführung und Bearbeitung des modernsten Zuges im schnellsten Werk für die schwere Instandhaltung der DB
„Sehr geehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir Berlin Hauptbahnhof. Dieser Zug endet hier. Wir bitten Sie alle auszusteigen. Wir bedanken uns, dass Sie heute mit der Deutschen Bahn gereist sind. Auf Wiedersehen!“
So oder so ähnlich kennen die Fahrgäste die Durchsage, wenn ein Zug seine Endstation erreicht hat. Täglich werden mehr als 950 Zugfahrten durch die Fernverkehrsflotte der DB realisiert und damit mehr als 132 Millionen Fahrgäste pro Jahr transportiert. Da bleibt es nicht aus, dass auch mal der eine oder andere Defekt entsteht, der zügig behoben werden muss. Nicht zuletzt gibt es vorgeschriebene Intervalle zur Inspektion, die sich nach einer festgelegten Frist oder gefahrenen Kilometern richten, um die Sicherheit und Qualität der Fernverkehrszüge sicherzustellen.
Also wie und vor allem wo geht es für einen ICE weiter, wenn er seine Endstation beispielsweise in Berlin und auch das Wartungsintervall von 1,6 Millionen gefahrenen Kilometern erreicht hat?
Die erste Station des Zuges ist das betriebsnahe Instandhaltungswerk in Berlin-Rummelsburg. Hier erfolgt zunächst die Innen- und Außenreinigung, die Abwasserentsorgung sowie die Beräumung der Bordgastronomie.
Leer und sauber geht es für den ICE in einer nächtlichen Transferfahrt weiter in das neue Bahnwerk für die schwere Instandhaltung in Cottbus. Die Überführung erfolgt in den Tagesrandlagen, um das Streckennetz zu entlasten und somit Auswirkungen auf den vorhandenen Regional- und Nahverkehr auf der Strecke zu vermeiden.
In der Lausitz angekommen, wissen die Techniker bereits bestens über den Zugzustand, zu tauschende Bauteile und andere Defekte Bescheid. Durch moderne Diagnoseverfahren werden Befunde und Meldungen des Zuges direkt an das Bahnwerk übermittelt. Vor Ort kann somit direkt mit den Arbeiten begonnen werden, auch entsprechendes Ersatzmaterial und Werkzeug stehen dann schon bereit. In drei Schichten pro Tag und sowohl im Zug als auch auf drei Höhenniveaus – unter dem Zug, neben dem Zug sowie auf dem Dach - kann der ICE nun bearbeitet werden.
Das neue Werk in Cottbus ist für die schwere Instandhaltungsstufen ausgelegt. In einer für den ICE 4 optimierten Gleishalle werden zwei verschiedene Inspektionen durchgeführt: Die kleine schwere Instandhaltung (sog. IS 600) und die große schwere Instandhaltung (die sog. IS 700). Dafür steht der Zug bei der IS600 rund 2 Wochen im Werk Cottbus, rund 3 Wochen dauert die IS700.
Der Zug wird während der Inspektion akribisch und bis ins kleinste Detail geprüft. So werden z.B. die Fahrmotoren, Kupplungen, Hochspannungsleitungen und Luftversorgungsanlagen in Augenschein genommen, aber auch die Batteriesysteme, unterschiedliche Zugsysteme, die Seitenschürzen, Seitenklappen, Bodenplatten, Tritte, Türen, Fenster und nicht zuletzt der komplette Fahrgastraum sowie die Toiletten und der Führerstand geprüft. Die Radsätze und einige weitere Komponenten werden planmäßig getauscht.
Bei der großen Inspektion (IS 700) werden neben den Prüfarbeiten die Wagen des ICE getrennt, damit die Werker:innen auch die Komponenten zwischen den Wagen im Kupplungsbereich tauschen können. Zudem werden die Drehgestelle getauscht und der Zug wird neu lackiert.
Der ICE ist das Herzstück der Fernverkehrsflotte der Deutschen Bahn. Knapp 400 ICE-Züge stehen für Reisende zur Verfügung. Nur wenn die Züge fahren, werden die Fahrgäste bequem und klimafreundlich durch das Land transportiert und nur dann ist es auch für die DB wirtschaftlich. Das bedeutet für das neue Bahnwerk in Cottbus, dass die Stillstandszeit im Werk so kurz wie möglich sein muss. Das Ziel ist eine Aufenthaltszeit von zwei Wochen im Werk für die kleine Inspektion und drei Wochen für die Große, inkl. der erforderlichen Probefahrt über die Schnellfahrstrecke bei Leipzig.
In Cottbus entstehen bis 2026 insgesamt zwei Werkshallen mit in Summe sechs Instandhaltungsgleisen, auf denen zeitgleich Hochgeschwindigkeitszüge revisioniert werden können. Im März 2024 begrüßte die DB den 137. ICE 4 – damit ist die neue Flotte komplett. Daraus ergibt sich unter der Berücksichtigung der vorgeschriebenen Wartungsintervalle bei Fertigstellung aller Anlagen eine Zuführung von etwa 3 Zügen pro Woche, die nachts in der Lausitz ankommen und nach zwei oder drei Wochen ihre Rückreise antreten.
Nach Abschluss aller Arbeiten in Cottbus wird der Zug wieder zurück nach Berlin-Rummelsburg überführt. Dort erhält er frisches Wasser, das Bordbistro wird bestückt, die Zugdaten werden eingespielt (z.B. Fahrtverlauf oder Reservierungsdaten) und los geht es zu einer neuen Fahrt, wenn es wieder heißt:
„Herzlich Willkommen auf Ihrer heutigen Fahrt im ICE der Deutschen Bahn nach …“