Das ist grün - Unterwegs mit Toni Kern

13.09.2024

Um­sied­lung der Amei­sen­hau­fen – Schutz der hü­gel­bau­en­den Wald­amei­sen beim Bau des Heiz­kraft­werks Cott­bus

Wäh­rend der Bau­maß­nah­men im Be­reich des Heiz­kraft­werks Cott­bus wur­de es not­wen­dig, meh­re­re Amei­sen­völ­ker um­zu­sie­deln. Grund hier­für war, dass die Nest­stand­or­te sich im di­rekt über­plan­ten Ein­griffs­be­reich be­fan­den. Bei den Nes­tern han­del­te es sich um die Art „Kahl­rü­cki­gen Wald­amei­se“ (For­mi­ca po­ly­c­te­na), ei­ner be­son­ders ge­schütz­ten Art ge­mäß der Bun­des­ar­ten­schutz­ver­ord­nung. Die Um­sied­lung war nicht nur ge­setz­lich er­for­der­lich, son­dern auch aus öko­lo­gi­schen Grün­den un­er­läss­lich, um die Po­pu­la­ti­on die­ser wich­ti­gen In­sek­ten zu er­hal­ten und ihre Rol­le in den um­lie­gen­den Wald­be­stän­den zu be­wah­ren.

Die Kahl­rü­cki­ge Wald­amei­se ist eine be­ein­dru­cken­de Art, die hü­gel­ar­ti­ge Nes­ter aus Pflan­zen­tei­len wie Na­deln, Zwei­gen und Blät­tern baut. Die­se Nes­ter kön­nen be­acht­li­che Grö­ßen er­rei­chen und sind oft über Baum­stub­ben er­rich­tet. Be­son­ders be­mer­kens­wert ist die gro­ße Volks­stär­ke die­ser Amei­sen, da sie in po­ly­gy­nen Ko­lo­nien le­ben, was be­deu­tet, dass meh­re­re Kö­ni­gin­nen in ei­nem Nest exis­tie­ren. Die Ar­bei­te­rin­nen, die zwi­schen 4 und 8 Mil­li­me­ter groß sind, ver­tei­di­gen ihr Nest ve­he­ment und kön­nen bei Ge­fahr ihre Amei­sen­säu­re bis zu 10 Zen­ti­me­ter weit sprit­zen. Die Kö­ni­gin­nen und Männ­chen sind et­was grö­ßer und mes­sen zwi­schen 9 und 11 Mil­li­me­tern.

Amei­sen spie­len eine zen­tra­le Rol­le im Öko­sys­tem Wald. Sie sind ent­schei­dend für die Ver­bes­se­rung des Wald­bo­dens, da sie Pflan­zen­tei­le zer­klei­nern und da­mit den Ver­rot­tungs­pro­zess von Holz­stäm­men und Baum­stümp­fen be­schleu­ni­gen. Dar­über hin­aus sor­gen sie durch den Bau und Um­bau ih­rer Nes­ter für eine Durch­mi­schung und Be­lüf­tung des Wald­bo­dens, was das Pflan­zen­wachs­tum för­dert. Zu­dem sind sie eine wich­ti­ge Nah­rungs­quel­le für zahl­rei­che Wald­tie­re wie In­sek­ten, Spin­nen, Igel, Mäu­se, Rep­ti­li­en und Am­phi­bi­en. Ohne Amei­sen wür­de das emp­find­li­che Gleich­ge­wicht im Wald stark be­ein­träch­tigt.

Die Um­sied­lung ei­nes Amei­sen­hau­fens ist eine kom­ple­xe Auf­ga­be, bei der es nicht aus­reicht, nur ei­nen Teil des Nes­tes zu ver­set­zen. Das ge­sam­te Volk muss um­zie­hen, in­klu­si­ve der Kö­ni­gin­nen, da nur so das Über­le­ben des Vol­kes ge­währ­leis­tet wer­den kann. Ins­ge­samt wur­den beim Bau des Heiz­kraft­werks Cott­bus vier Amei­sen­hü­gel von un­ab­hän­gi­gen Völ­kern um­ge­sie­delt. Um den Amei­sen­hau­fen zu trans­por­tie­ren, wur­de er schicht­wei­se ab­ge­tra­gen, wo­bei auch die Baum­stub­ben, auf de­nen die Nes­ter er­rich­tet wa­ren, mit­ge­nom­men wur­den. Die ein­zel­nen Schich­ten wur­den in num­me­rier­te Sä­cke ge­füllt, um das Nest am neu­en Stand­ort ori­gi­nal­ge­treu wie­der auf­zu­bau­en. Die Um­sied­lung fand in den frü­hen Mor­gen­stun­den statt, da das Volk zu die­ser Zeit noch kom­plett im Hauf­werk ver­sam­melt ist.

Die­se Um­sied­lung wur­de un­ter fach­li­cher Lei­tung von Toni Kern (DB) und Ma­thi­as Pösch (IPP Hy­dro Con­sult GmbH) durch­ge­führt. Bei­de sind zer­ti­fi­zier­te Amei­sen­he­ger.

Die Er­satz­stand­or­te für die Amei­sen­ko­lo­nien wur­den im um­lie­gen­den Wald­be­stand am HKW-Ge­län­de ge­fun­den, nörd­lich und öst­lich des ur­sprüng­li­chen Plan­ge­bie­tes. Um den Amei­sen eine ge­eig­ne­te Um­ge­bung zu bie­ten, muss­te die neue Flä­che be­stimm­te Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Be­son­ders wich­tig war das Vor­han­den­sein von Fut­ter­bäu­men wie Bir­ke, Ei­che und Kie­fer, an de­nen Blatt­läu­se le­ben. Die­se Blatt­läu­se schei­den zu­cker­hal­ti­gen Kot aus, den so­ge­nann­ten Ho­nig­tau, der eine es­sen­zi­el­le Nah­rungs­quel­le für die Amei­sen dar­stellt. Zu­dem müs­sen die Stand­or­te eine aus­rei­chen­de Be­son­nung auf­wei­sen.

Die Um­sied­lung der Kahl­rü­cki­gen Wald­amei­se am Heiz­kraft­werk Cott­bus ver­deut­licht, wie wich­tig der Schutz un­se­rer Na­tur ist, selbst bei gro­ßen Bau­pro­jek­ten. Die­se fas­zi­nie­ren­den In­sek­ten spie­len eine ent­schei­den­de Rol­le im Öko­sys­tem Wald und ver­die­nen un­se­ren be­son­de­ren Schutz. Durch die sorg­fäl­ti­ge Pla­nung und Durch­füh­rung der Um­sied­lung konn­te si­cher­ge­stellt wer­den, dass die Amei­sen­völ­ker wei­ter­hin ihre le­bens­wich­ti­gen Auf­ga­ben in ih­rem neu­en Zu­hau­se er­fül­len kön­nen.