Das ist grün - Unterwegs mit Toni Kern
Umsiedlung der Ameisenhaufen – Schutz der hügelbauenden Waldameisen beim Bau des Heizkraftwerks Cottbus
Während der Baumaßnahmen im Bereich des Heizkraftwerks Cottbus wurde es notwendig, mehrere Ameisenvölker umzusiedeln. Grund hierfür war, dass die Neststandorte sich im direkt überplanten Eingriffsbereich befanden. Bei den Nestern handelte es sich um die Art „Kahlrückigen Waldameise“ (Formica polyctena), einer besonders geschützten Art gemäß der Bundesartenschutzverordnung. Die Umsiedlung war nicht nur gesetzlich erforderlich, sondern auch aus ökologischen Gründen unerlässlich, um die Population dieser wichtigen Insekten zu erhalten und ihre Rolle in den umliegenden Waldbeständen zu bewahren.
Die Kahlrückige Waldameise ist eine beeindruckende Art, die hügelartige Nester aus Pflanzenteilen wie Nadeln, Zweigen und Blättern baut. Diese Nester können beachtliche Größen erreichen und sind oft über Baumstubben errichtet. Besonders bemerkenswert ist die große Volksstärke dieser Ameisen, da sie in polygynen Kolonien leben, was bedeutet, dass mehrere Königinnen in einem Nest existieren. Die Arbeiterinnen, die zwischen 4 und 8 Millimeter groß sind, verteidigen ihr Nest vehement und können bei Gefahr ihre Ameisensäure bis zu 10 Zentimeter weit spritzen. Die Königinnen und Männchen sind etwas größer und messen zwischen 9 und 11 Millimetern.
Ameisen spielen eine zentrale Rolle im Ökosystem Wald. Sie sind entscheidend für die Verbesserung des Waldbodens, da sie Pflanzenteile zerkleinern und damit den Verrottungsprozess von Holzstämmen und Baumstümpfen beschleunigen. Darüber hinaus sorgen sie durch den Bau und Umbau ihrer Nester für eine Durchmischung und Belüftung des Waldbodens, was das Pflanzenwachstum fördert. Zudem sind sie eine wichtige Nahrungsquelle für zahlreiche Waldtiere wie Insekten, Spinnen, Igel, Mäuse, Reptilien und Amphibien. Ohne Ameisen würde das empfindliche Gleichgewicht im Wald stark beeinträchtigt.
Die Umsiedlung eines Ameisenhaufens ist eine komplexe Aufgabe, bei der es nicht ausreicht, nur einen Teil des Nestes zu versetzen. Das gesamte Volk muss umziehen, inklusive der Königinnen, da nur so das Überleben des Volkes gewährleistet werden kann. Insgesamt wurden beim Bau des Heizkraftwerks Cottbus vier Ameisenhügel von unabhängigen Völkern umgesiedelt. Um den Ameisenhaufen zu transportieren, wurde er schichtweise abgetragen, wobei auch die Baumstubben, auf denen die Nester errichtet waren, mitgenommen wurden. Die einzelnen Schichten wurden in nummerierte Säcke gefüllt, um das Nest am neuen Standort originalgetreu wieder aufzubauen. Die Umsiedlung fand in den frühen Morgenstunden statt, da das Volk zu dieser Zeit noch komplett im Haufwerk versammelt ist.
Diese Umsiedlung wurde unter fachlicher Leitung von Toni Kern (DB) und Mathias Pösch (IPP Hydro Consult GmbH) durchgeführt. Beide sind zertifizierte Ameisenheger.
Die Ersatzstandorte für die Ameisenkolonien wurden im umliegenden Waldbestand am HKW-Gelände gefunden, nördlich und östlich des ursprünglichen Plangebietes. Um den Ameisen eine geeignete Umgebung zu bieten, musste die neue Fläche bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Besonders wichtig war das Vorhandensein von Futterbäumen wie Birke, Eiche und Kiefer, an denen Blattläuse leben. Diese Blattläuse scheiden zuckerhaltigen Kot aus, den sogenannten Honigtau, der eine essenzielle Nahrungsquelle für die Ameisen darstellt. Zudem müssen die Standorte eine ausreichende Besonnung aufweisen.
Die Umsiedlung der Kahlrückigen Waldameise am Heizkraftwerk Cottbus verdeutlicht, wie wichtig der Schutz unserer Natur ist, selbst bei großen Bauprojekten. Diese faszinierenden Insekten spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem Wald und verdienen unseren besonderen Schutz. Durch die sorgfältige Planung und Durchführung der Umsiedlung konnte sichergestellt werden, dass die Ameisenvölker weiterhin ihre lebenswichtigen Aufgaben in ihrem neuen Zuhause erfüllen können.